römisches Alltagsleben

römisches Alltagsleben
römisches Alltagsleben
 
Der Dichter Horaz beschreibt in einer seiner Satiren (1, 8 ff.), wie er, etwa um das Jahr 35 v. Chr., auf dem Forum Romanum von einem zudringlichen Schwätzer belästigt wird und diesen nur mit Mühe abschütteln kann. Horaz, dessen Wohnung auf dem Esquilin lag, will einen kranken Freund besuchen, der »trans Tiberim« wohnt, also auf der anderen Seite des Tiber, in dem Stadtteil, der heute noch Trastevere heißt, bei den Gärten, in denen Kleopatra Hof gehalten und die Caesar dann in seinem Testament dem römischen Volk vermacht hatte. Horaz ging also auf der Via Sacra, der Heiligen Straße, zum Forum. Im Hintergrund sah er das Kapitol mit dem Jupitertempel, der von Sulla nach dem Brand 83 v. Chr. neu errichtet worden war, davor das Tabularium, das römische Staatsarchiv, auf dem sich heute der Konservatorenpalast erhebt.
 
Rechts davor sah er den Concordiatempel, also den Tempel der Eintracht, der nach den gracchischen Unruhen neu errichtet worden war. An der linken Langseite des Forums stand der Tempel des Saturn, in dem der römische Staatsschatz aufbewahrt war, zu dem Caesar sich gewaltsam Zutritt verschafft hatte. Davor befand sich die Rostra, die alte Rednertribüne. Diese Bauten grenzten an das Comitium, den Volksversammlungsplatz, der jetzt seiner Funktion entkleidet war. Das Volk hatte sich ohnehin schon auf dem ganzen Forum versammelt, weil es so zahlreich geworden war, dass es nicht mehr auf das Comitium passte, und jetzt war es gar auf das Marsfeld verwiesen, hinter dem Kapitolshügel.
 
Aber auf all das achtete Horaz gar nicht, denn der aufdringliche Mensch hatte ihn schon erspäht und mit zudringlichen Fragen überschüttet. Er pries »vicos et urbem«, also die neu gebauten Stadtviertel und überhaupt die Hauptstadt, man kam an der Regia vorbei, dem früheren Sitz der Könige und dann dem des pontifex maximus, aber als man am Tempel der Vesta angekommen war, dem Amtssitz der Vestalinnen, lachte Horaz das Glück: Beim Betreten des Forumsplatzes — der Tempel für den vergöttlichten Caesar an der Schmalseite gegenüber der Regia war wohl gerade im Bau — erinnerte sich sein Begleiter daran, dass er ja eigentlich als Beklagter zu einem Prozess erscheinen müsse. Rechts erstreckte sich nämlich die Front der Basilica Aemilia, wo der Prätor die Prozesse führte, links die der Basilica Iulia, wo dann später in der Kaiserzeit verhandelt wurde. Nach einigem Hin und Her wurde der aufdringliche Mensch vom Prozessgegner erspäht, in die Verhandlung gezerrt, und Horaz konnte sich links neben dem Castortempel — drei seiner Säulen sieht man heute noch — durch den Vicus Tuscus zum Tiber begeben.
 
Die Institutionen zur Aufrechterhaltung von Ruhe, Ordnung und Sicherheit
 
Die römische Kaiserzeit stellt die Epoche in der Geschichte der Stadt Rom dar, in der wir am meisten über die Stadt wissen und in der sie am höchsten entwickelt war. Rom hatte damals mindestens eine Million Einwohner, von denen zwischen einem Zehntel und einem Fünftel Sklaven waren. Nördlich des Forum Romanum hatten die Kaiser ihre Kaiserforen angelegt, an sie schloss sich östlich die Subura an, der Stadtteil des einfachen Volkes, in dem aber auch Politiker wohnten, die sich volkstümlich geben wollten, so etwa Caesar. Links und rechts der großen Ausfallstraßen der Stadt lagen, wie bei allen antiken Städten, die Gräberfelder mit ihren zum Teil künstlerisch gestalteten Grabmälern.
 
Administrativ eingeteilt war Rom zur Zeit der Republik in die vier tribus Palatina, Suburana, Esquilina und Collina; Augustus teilte sie in 14 Regionen ein, die ihrerseits in vici unterteilt wurden. An der Spitze stand der Stadtpräfekt (praefectus urbi), ein Mann senatorischen Standes, für die Sicherheit sorgten die Stadtkohorten und die Wächtertruppe. Die vier Stadtkohorten (cohortes urbanae) umfassten je 1500 Mann. Ihre allgemeine Aufgabe war die Aufrechterhaltung oder Herstellung von Ruhe und Ordnung, sie fungierten auch als Marktpolizei und kontrollierten die Bordelle.
 
Sonst waren für die Verbrechensbekämpfung die sieben Kohorten der Wächter (vigiles) zuständig, besonders für die nächtlich begangenen Verbrechen; jede dieser Kohorten zählte zum Schluss 1000 Mann. Sie gingen aus einer aus Sklaven zusammengesetzten Einheit hervor, die Crassus in der späten Republik zur Feuerbekämpfung eingesetzt hatte. Auch Augustus rekrutierte sie zunächst aus Sklaven, dann aus Freigelassenen; kommandiert wurden sie von einem ritterständischen praefectus vigilum.
 
Das Haupttätigkeitsfeld der vigiles war nach wie vor das einer Berufsfeuerwehr, denn Brände waren in Rom an der Tagesordnung; der Brand unter Kaiser Nero im Jahr 64 war nur einer der Höhepunkte, er dauerte neun Tage, und nur vier der 14 Regionen blieben verschont. Obwohl Nero beziehungsweise seinen Ratgebern hoch anzurechnen ist, dass danach energische Anstrengungen für einen großzügigen, Brände verhütenden Neuaufbau der Stadt gemacht wurden, wurden diese doch nur zum Teil in die Wirklichkeit umgesetzt. Die Brandursachen blieben weiter dieselben: zu leichte Bauweise, zu eng aneinander stehende Häuser, offenes Feuer aller Art. Zu den größeren Gefahren zählten dann auch die Tiberüberschwemmungen oder der Einsturz von zu instabil gebauten Häusern.
 
Wohnen in Rom: Wohnungen, Häuser und Paläste
 
Die Häuser, die die Masse der Bebauung der kaiserzeitlichen Stadt Rom — und anderer Städte — ausmachten, waren die großen, in der Hauptsache vier- bis fünfstöckigen Mietskasernen, insulae (Inseln) genannt. In deren Wohnungen wohnten auch Wohlhabendere, die dann mehrere Zimmer hatten, aber allen Wohnungen war gemeinsam, dass die Ausstattung mit Möbeln äußerst einfach war. Ein Bett, auf dem man auch saß, ein Tisch, einige Stühle, Lampen, Kohlenbecken für die Heizung, Essgeschirr, Küchengerät, wenn man eine Küche hatte — in vielen Wohnungen fehlte sie; man holte sich sein Essen von den vielen Garköchen auf der Straße.
 
Eine Toilette gab es nicht, man benutzte Töpfe, die dann — was natürlich verboten war — aus dem Fenster geschüttet oder in große Kübel geleert wurden, die unter der Treppe standen; deren Inhalt wurde von den Gerbern abgeholt, die ihn zum Bearbeiten des Leders brauchten; daher rührt die Geschichte von Vespasians »non olet«. Zwar gab es ein berühmtes und wohl organisiertes Abwässersystem seit der hohen Republik, sieben große, unterirdische, später auch bedeckte Hauptkanäle nahmen die Abfälle auf, darunter die berühmte Cloaca Maxima, in die zahlreiche kleinere Kanäle mündeten, und die sich dann alle zusammen in den Tiber ergossen, aber bis in die einzelnen Wohnungen reichte die Kanalisation nicht. Es gab zudem 144 öffentliche Latrinen, wo man dann nebeneinander sitzen und plauschen konnte.
 
Die Versorgung mit Trinkwasser war eines der Ruhmesblätter der römischen Zivilisation. Seit der archaischen Zeit Griechenlands war sie ein existenzielles Bedürfnis jeder größeren städtischen Siedlung, und gerade die Tyrannen dieser frühen Zeit hatten sich ja durch den Bau von Brunnen und Wasserleitungen Verdienste erworben. Appius Claudius Caecus, Censor von 312 v. Chr., baute die erste, die Aqua Appia, nach der Aqua Anio Vetus 272 baute der Prätor Quintus Marcius Rex zwischen 144 und 140 v. Chr. eine dritte, die Aqua Marcia, schließlich waren es in der Kaiserzeit 13, teils unter-, teils oberirdisch als Aquädukte. Meist funktionierten sie durch leichtes Gefälle (die Aqua Appia mit nur 0,5 %), selten mit Druck. 500 km waren sie insgesamt lang und lieferten 700000 m3 Wasser pro Tag. In Pompeji und teilweise auch in Rom bestanden sie aus drei übereinander liegenden Leitungen: Die unterste belieferte die öffentlichen Becken und Brunnen, die mittlere Thermen und Bäder und die obere die wenigen Privathäuser, die sich diesen kostspieligen Anschluss leisten konnten; gab es Wassermangel, versiegte zuerst die Zufuhr bei diesen, dann bei den Thermen, und die öffentliche Wasserversorgung funktionierte am längsten.
 
Die meisten Einwohner Roms wohnten in solchen Mietshäusern; Slums mit provisorischen Unterkünften gab es nicht. Nur die ganz Vornehmen oder ganz Reichen wohnten in einzelnen Häusern, in einer domus. Das waren großzügige, frei stehende, mit Gärten umgebene Anlagen, von denen es in Rom aber nur etwa 1800 gab; dort wohnte nur eine verschwindende Minderheit, die sich zudem natürlich auch oft in ihren Landhäusern außerhalb Roms aufhielt. Auch die Kaiser nannten ihre Häuser domus. Der erste von ihnen, Augustus, hatte sein Haus auf dem Palatin, also in dem Stadtteil, der schon immer eine bevorzugte Wohngegend der Oberschicht war.
 
Dieses Haus, obwohl es schon faktisch eine Herrscherresidenz mit Anklängen an hellenistische Königsbauten war und einen direkten Zugang zur Kaiserloge des Circus Maximus, dem Pulvinar, hatte, war trotzdem nur ein etwas herausgehobenes adeliges Wohnhaus. Alle späteren Kaiser bis zu den Severern errichteten nun ebenfalls ihre Residenzen auf dem Palatin, und daraus entwickelte sich über das lateinische Wort palatium unser Wort Palast.
 
Nero in seinem Größenwahn begann, sein »Goldenes Haus«, die Domus Aurea, weit über den Palatin hinaus zu errichten, aber seine Nachfolger, die Flavier, rissen es wieder ab und errichteten anderes an seiner statt, so das Kolosseum und die Titusthermen. Erst Domitian baute auf dem Palatin das, was auch architektonisch einem Palast gleichkam, nämlich ein mehrstöckiges Prunkgebäude mit Thronsaal und prachtvollen Sälen und Gemächern. Hier residierten alle folgenden Kaiser einschließlich der Severer. Der Kaiserpalast in Konstantinopel ist der Nachfolger der Bauten auf dem Palatin, einschließlich des direkten Zugangs zum Circus, dort Hippodrom geheißen.
 
Das Leben in der Öffentlichkeit
 
Das römische Leben spielte sich vorwiegend auf der Straße ab, und der äußere Eindruck dürfte sich nicht allzu sehr von dem unterschieden haben, den man heute in den Städten mancher Mittelmeergegenden bekommt. Die Straßen waren eng und voller Leben, denn auch der geschäftliche Verkehr fand großenteils draußen statt. Zusätzlich zu den Lastträgern und fliegenden Händlern öffneten sich die meisten Werkstätten und Läden direkt auf die Straße. Wegen der Enge der Straßen war der Wagenverkehr bei Tage verboten, aber das Geschrei war immer noch gewaltig, und wegen der nächtlichen Wagenfahrten — eine Straßenbeleuchtung gab es nicht — war auch die Nachtruhe oft nicht gewährleistet. Die großen Straßen, viae, hatten ihre Namen nach den Erbauern — Via Appia oder Via Flaminia —, die normalen, die vici wie die Stadtviertel genannt wurden, hießen zusätzlich nach topographischen Gegebenheiten oder nach den Berufen, die dort anzutreffen waren.
 
Man lebte also in der Öffentlichkeit, daher rührt auch die verhältnismäßig sparsame Einrichtung der meisten Wohnungen, und entsprechend üppig wurde der öffentliche Bereich Roms ausgestattet. Schon in der Republik wurden auf dem Forum Romanum und seit dem Ende der Republik dann auch auf dem Marsfeld in großem Stil prunkvolle öffentliche Bauten errichtet, aber erst in der Kaiserzeit erstreckten sie sich auf die ganze Stadt; größere Stadtplanungen waren die schon erwähnte Neros oder die unter Hadrian und Antoninus Pius. Bäume an den Straßen gab es nicht, auch das Tiberufer diente nur der gewerblichen Nutzung und nicht dem Spazierengehen, aber die Stadt war übersät mit Portiken, Säulengängen, in deren Schatten man flanieren oder die einfachen oder Luxusläden frequentieren konnte; von Standbildern bedeutender Personen, mit denen die Stadt geschmückt war, gab es so viele, dass ab und zu abgeräumt werden musste, um Platz für neue zu schaffen.
 
Neben dem zentralen Forum, auf dem sich der Großteil des öffentlichen Lebens in der Republik abspielte, gab es zehn weitere Foren, und zum öffentlichen Wohlbefinden trugen schließlich auch diejenigen Einrichtungen bei, die im heutigen Bewusstsein noch am meisten mit dem täglichen Leben des antiken Rom verbunden werden: die Bäder und Thermen, das Theater, das Amphitheater, der Circus. Schnell stellt sich dann das Wort »Brot und Spiele« ein, und der Eindruck einer müßiggängerischen, faulen und vergnügungssüchtigen Masse ist fertig. Ob er zutrifft, werden wir sehen.
 
Bäder und Thermen, Theater, Circusse, Amphitheater und Stadien
 
Der körperlichen Sauberkeit dienten die öffentlichen Bäder (balneae). Noch im 2.vorchristlichen Jahrhundert ließ die Körperpflege bei der Mehrheit der Bevölkerung sehr zu wünschen übrig, aber um das Jahr 100 v. Chr. setzen die öffentlichen Badeanstalten ein, die privat betrieben und gegen ein Eintrittsgeld benutzt wurden. Das Bedürfnis muss so groß gewesen sein, dass knapp hundert Jahre später, im Jahr 33 v. Chr., von 170 solcher Badeanstalten die Rede ist. In der Kaiserzeit stieg ihre Zahl weiter steil und erreichte die Summe von rund 900. Wie bei anderen öffentlichen Großbauten auch sahen Politiker in den Badeanlagen ein Mittel, Prestige für sich zu gewinnen, und daher wurde die erste große Anstalt mit freiem Eintritt von Agrippa, dem Gefährten des Augustus, im Jahre 33 v. Chr. auf dem Marsfeld errichtet. Wegen ihrer Warmbademöglichkeiten bekamen die Bäder die Bezeichnung Thermen, von griechisch thermos: warm, und danach heißen die großen kaiserlichen Badeanstalten Kaiserthermen, die des Nero, des Titus und Trajan, des Commodus, des Septimius Severus, des Caracalla und schließlich die des Diokletian.
 
Die kleineren Bäder, von denen Rom wimmelte, und die großen Thermen waren der Treffpunkt der Römer aller Schichten; die balneae gewährleisteten eine Art institutionalisierten Nachbarschaftsverkehrs, in die Thermen strömten Männer und Frauen, weil sie Möglichkeiten der sportlichen, geselligen und sogar geistigen Betätigungen boten; manche waren mit Bibliotheken ausgestattet. Es wurden zahlreiche Bademöglichkeiten im Heiß-, Lau- und Kaltwasserbad geboten, es wurden Ballspiel, Gymnastik und andere Sportarten betrieben, man konnte sich der Massage und anderen Arten der Körperpflege unterziehen, das gesellige Leben einschließlich der gleich nebenan florierenden Prostitution blühte.
 
Die Zu- und Ableitung des Wassers, seine Beheizung und die der Räume durch Hypokaustenheizung, also Unterbodenheizung, die gesamte Verwaltung und schließlich die architektonische Glanzleistung des Baues selber, sie erregen heute genau wie damals Bewunderung. Apollodoros aus Damaskus war der Erbauer der Trajans-thermen, derselbe, der die große Donaubrücke am Eisernen Tor errichtete; und die Diokletiansthermen sind zutreffend als das größte Hallenbad der Welt bis heute bezeichnet worden.
 
Das erste feste Theater in Rom — vorher gab es nur provisorische Holzbauten — war das des Pompeius auf dem Marsfeld, 55 v. Chr. vollendet und eingeweiht, es folgte das des Balbus 13 v. Chr. und dann das des Marcellus zwei Jahre später, beide ebenfalls auf dem Marsfeld. Circusse gab es in Republik und Kaiserzeit fünf: den Circus Maximus südwestlich des Palatin, dessen Ursprünge noch bis auf die Königszeit zurückreichen, den Circus Flaminius, durch den umstrittenen Konsul Flaminius auf dem Marsfeld angelegt, den Circus des Caligula auf dem rechten Tiberufer und schließlich den Circus Varianus des Elagabal im Süden der Stadt; später kam noch der des Maxentius hinzu.
 
Amphitheater bekam Rom sogar erst nach denen kleinerer Städte Kampaniens — das von Pompeji stammt aus sullanischer Zeit (etwa 80 v. Chr.) —, nämlich um 32 v. Chr. durch den Konsul Titus Statilius Taurus auf dem Marsfeld, dann aber gleich darauf das gewaltigste, das Amphitheatrum Flavium, das heutige Kolosseum; unter den Severern kam noch das kleinere Amphitheatrum Castrense hinzu. An Stadien schließlich hatte Rom überhaupt nur eines aufzuweisen, das des Domitian — es war da, wo die heutige Piazza Navona ist, deren Anlage man ihre frühere Funktion noch genau ansieht. Das war alles, und hinzu kommt, dass diese Stätten der unterschiedlichsten Schaustellungen nicht tagaus, tagein in regelmäßigem Betrieb waren, sondern zunächst einmal nur anlässlich bestimmter religiöser Feste.
 
Römische Feste und Gladiatorenspiele
 
Die Feste hießen ludi, Spiele, wonach wir auch bei uns von Festspielen sprechen. Zu den ältesten gehörten die ludi Latini, ursprünglich ein Fest des Latinerbundes. Das älteste nur römische waren die ludi Romani, die Römerspiele, 366 v. Chr. gegründet, und eigens hervorzuheben wären etwa die ludi Plebeii, die Plebejerspiele, vor 216 v. Chr. von Flaminius gegründet, oder die ludi Megalenses von 204 v. Chr., die aus der Not des 2. Punischen Krieges zu Ehren der orientalischen Göttin Magna Mater gegründet wurden; weitere kamen hinzu. Die Spiele dauerten jeweils zunächst nur einen oder wenige Tage, wurden aber immer weiter ausgedehnt, sodass im Jahre 88 v. Chr. 74 Tage im Jahr dafür zur Verfügung standen und im 4. Jahrhundert n. Chr. sogar 177 Tage. An diesen Spielen fanden in unterschiedlicher Kombination Schauspielaufführungen statt, mit ernsthaften Stücken, Komödien, Possen oder Pantomimen, es gab Pferde- und Wagenrennen oder Tierjagden, sämtliche mit ursprünglich religiöser Bedeutung, die sich allmählich verlor.
 
Das gilt auch für die Gladiatorenspiele, an welchen sich diese Entwicklung gut verfolgen lässt. Dass vor Zuschauern ein Paar Bewaffneter (gladiatores; von gladius: Schwert) miteinander kämpft, bis der eine tot ist oder gnadenhalber am Leben gelassen wird, ist eine etruskische Sitte, die mit dem Begräbniskult zusammenhängt. In Rom hören wir erstmals 264 v. Chr. davon, als bei einem Begräbnis drei Gladiatorenpaare miteinander kämpften; die Kämpfe fanden auf dem Forum Romanum statt. Im Jahre 105 v. Chr. durfte erstmals ein Konsul mit Bewilligung des Senats Gladiatorenkämpfe ausrichten. Die Kämpfe wurden mehr und mehr zur Volksbelustigung, es gab regelrechte Gladiatorenschulen, und außer für öffentliche Kämpfe wurden Gladiatoren auch als private Leibwachen von Politikern herangezogen.
 
Gladiatoren waren meistens Sklaven, es gab aber auch Freiwillige, in der Kaiserzeit aus Gründen des Nervenkitzels sogar solche aus dem Ritter- und Senatorenstand, ja wir kennen sogar Gladiatorinnen. Es gab berühmte Schlagetots dieses Berufs, mit denen — wie mit den Wagenlenkern im Circus — ein regelrechter Starkult getrieben wurde. Es wundert uns nicht, dass es viele gab, die diesem schrecklichen Dasein entfliehen wollten. Viel mehr verwundert es heute, warum das nicht viel häufiger geschah, denn die Gladiatoren wurden keineswegs streng bewacht und bewegten sich frei; auch die freiwillige Meldung kann man heute nur schwer verstehen.
 
Erst recht befremdet uns heutzutage die Institution überhaupt, zumal dann, wenn man weiter die Tierhatzen oder sogar die Praxis in Rechnung stellt, dass auch wehrlose Menschen in der Arena durch wilde Tiere oder durch Verbrennen zu Tode gebracht wurden. Das berühmteste Beispiel für Letzteres sind die Tötungen der Christen durch Nero nach dem Brand von Rom, und zur Unmenge von Tieren, die umgebracht wurden, soll nur gesagt werden, dass Augustus sich in seinem offiziellen Tatenbericht rühmt, 3500 Tiere getötet zu haben, und diese Zahl stieg unter den späteren Kaisern beträchtlich.
 
Dass die Spiele sich von ihrem religiösen Anlass immer mehr entfernten und an Häufigkeit zunahmen, hatte seinen Grund darin, dass sie zunehmend für politische Zwecke eingesetzt wurden. Die Ädilen hatten von Amts wegen mit staatlichen Geldern die Spiele auszurichten, aber diese Aufgabe wurde in der späten Republik von ihnen mehr und mehr dazu benutzt, durch immer prächtigere Ausstattung politische Werbung für sich zu betreiben; dabei wandten sie auch eigenes Vermögen auf und verschuldeten sich immer mehr, in der Hoffnung, dieses Geld und noch mehr in ihrer späteren politischen Laufbahn wieder hereinzubekommen. Zu den Spielen kamen Vorführungen, die ehrgeizige Politiker und Feldherrn aus Anlass ihrer Triumphe oder auch anlässlich von Leichenfeiern veranstalteten.
 
In der Kaiserzeit nahm diese Tendenz weiter zu, und daher könnte man allmählich doch glauben, das Ausmaß der öffentlichen Spiele sei so exorbitant gewesen, dass man sich die römische Bevölkerung nicht anders als verkommene Masse vorstellen könnte, die ihre Tage mit dem Besuchen brutaler Shows hingebracht hätte. Zwei Gründe sprechen aber doch dagegen. Die Spiele fanden nicht täglich statt, und das Fassungsvermögen der Spielorte war begrenzt: Zwar fasste der Circus Maximus 150000 Menschen, das Kolosseum aber nur ein Drittel davon, genauso viel fassten alle drei Theater zusammen, und das Stadion Domitians fasste sogar nur 20000 Menschen.
 
Natürlich ist das viel, und natürlich waren die Spiele ein ganz wesentlicher Bestandteil des öffentlichen Lebens, aber das reicht nicht, um die Tatsache aus der Welt zu schaffen, dass die römische Bevölkerung fleißig war und sich ihren Lebensunterhalt durch Arbeit verdiente. Die öffentliche Zuteilung von Nahrungsmitteln — panem — war nämlich keineswegs ausreichend, um sich auf die faule Haut legen zu können. Sie bestand in der Verteilung von Getreide — erst unter Severus Alexander gab es Brot —, zunächst durch Gaius Gracchus 123 v. Chr. verbilligt, dann seit Clodius 58 v. Chr. gratis, und durch Caesar und Augustus wurde der ausgedehnte Empfängerkreis endgültig so heruntergesetzt, dass man eine Durchschnittszahl von 150000 bis 200000 annehmen muss. Alle übrigen Bewohner der Millionenstadt verdienten sich ihren Lebensunterhalt selber, und auch die Getreideempfänger hatten noch einiges zu tun, um über das Allernotwendigste hinauszukommen.
 
 Die Sklaven
 
Für die Zeitgenossen war es ein selbstverständlicher Lebenssachverhalt, für uns ist es ein schockierendes Faktum: Es gab überall Sklaven. Diese Tatsache wurde früher gerne wenn nicht übersehen, so doch eher beiläufig zur Kenntnis genommen. Sie ins Bewusstsein der Historiker gerufen zu haben, ist ein Verdienst von Karl Marx und Friedrich Engels, wenngleich schon sie selber, erst recht ihre staatsmarxistischen Nachfolger, der Sklaverei umgekehrt ein viel zu großes Ausmaß und eine viel zu hohe Bedeutung beimaßen.
 
Sozial war die Sklaverei so vielgestaltig, dass einheitliche Aussagen zu diesem Aspekt nicht gemacht werden können. Anders war die rechtliche Seite. Rechtlich war ein Sklave eine Sache, konnte verkauft, gekauft, vererbt und geerbt werden, man konnte einen Nießbrauch an ihm begründen, man konnte ihn einsperren oder körperlich strafen, ohne dass das strafbare Handlungen gewesen wären. Der Sklave hatte keine Rechte, konnte also keine Verträge schließen oder kein Eigentum haben, und er konnte keine Ehe im Rechtssinne eingehen — und dasselbe gilt natürlich auch für die Sklavin.
 
Es gab faktische und rechtliche Einschränkungen dieses Zustandes. Rechtlich wurde im Laufe der Kaiserzeit übermäßige Misshandlung von Sklaven ihrerseits immer mehr unter Strafe gestellt, vielleicht aus Gründen des sparsamen Umgangs mit diesem Wirtschaftsgut, gewiss aber auch aus humanitären Gründen, deren Bedeutung in der Kaiserzeit ja zunahm. Eine bedeutende Rolle spielte die Einrichtung des peculium. Das war ein kleineres oder größeres Vermögen, das der Eigentümer des Sklaven diesem zur Verfügung stellte, damit er damit wirtschaftete — einen Handel aufmachte, eine Manufaktur betrieb oder Ähnliches. Rechtlich gehörte dieses Vermögen und aller Gewinn, den der Sklave machte, seinem Herrn; der soziale Konsens bestimmte aber, dass der Sklave nur einen Teil des Gewinns seinem Herrn abgeben musste, den Rest konnte er behalten.
 
Die wichtigste Rolle, die dieses Vermögen spielte, war aber die, dass sich der Sklave damit aus seinem Sklavenstatus loskaufen konnte. Nach dem Buchstaben des Gesetzes konnte der Herr kalt lächelnd das Geld kassieren und den Sklaven weiter in seinem Status belassen. Das wäre jedoch zum einen ein sozial schwer missbilligtes Verhalten gewesen, zum anderen war die römische Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung darauf angewiesen, dass die Sklaveneigentümer sich an diesen Brauch hielten. Wäre es nämlich anders gewesen, wäre der Anreiz für das Wirtschaften mit einem peculium gering gewesen, denn dieses hätte dann seine wirtschaftliche Funktion nicht erfüllt, die darin bestand, dem Eigentümer durch eine von der Aussicht auf Freiheit stimulierte Initiative des Sklaven mehr Ertrag einzubringen, als wenn der Sklave unmittelbar für den Herrn gearbeitet hätte.
 
 
Die Freilassung der Sklaven war keine Ausnahme. Zeitweise nahmen die Freilassungen so zu, dass sie, wie etwa zu Beginn der römischen Kaiserzeit, gesetzlich eingeschränkt wurden. Die Freilassung geschah oft durch Testament, zu Lebzeiten des Freilassers aber vor Zeugen (inter amicos) durch Berührung mit einem Stab, und die Sitte fügte noch eine kleine symbolische Handlung hinzu: Der Herr gab dem Sklaven oder der Sklavin noch einen Backenstreich, drehte ihn oder sie einmal um die eigene Achse und gab ihm dann einen kleinen Schubs in die Freiheit.
 
War der ehemalige Sklave ein Mann, wurde er — anders als in Griechenland — durch die Freilassung sogar römischer Bürger, handelte es sich um eine ehemalige Sklavin, lebte sie in Ermangelung politischer Rechte für Frauen doch unter dem für Freie geltenden römischen Recht. Die Freigelassenen — libertini, vom Freilasser aus gesehen liberti — waren nun zwar frei, doch unterschieden sie sich in einigen rechtlichen Beziehungen, etwa im Erbrecht, vor allem aber durch die Sitte von Freigeborenen (ingenui). Einerseits konnte sich der Eigentümer schon vor der Freilassung Dienste (operae) für die Zeit danach versprechen lassen, andererseits waren die liberti auch ohne eine solche Verpflichtung sittlich zu obsequium und reverentia verpflichtet, also zu Folgsamkeit und respektvoller Behandlung. Kinder, die sie nun bekamen, waren allerdings Freie ohne Einschränkung — und doch: Das soziale Faktum ließ sich oft nicht verleugnen, dass der Vater eines ingenuus früher einmal Sklave war, und das konnte dem Freigeborenen noch lange anhängen. Der Dichter Horaz war seinem Gönner Gaius Cilnius Maecenas auch deshalb so dankbar für dessen Förderung, weil sein — von ihm sehr geliebter — Vater ein früherer Sklave war.
 
Für die Freilassung gab es viele Gründe. Von den unmittelbar einleuchtenden Fällen abgesehen, dass die freizulassende Person ein leiblicher Verwandter des oder der Freilassenden war, gab es natürlich Fälle menschlicher Zuneigung oder Dankbarkeit, etwa vom erwachsen gewordenen Zögling zum Lehrer oder zur Amme. Handgreiflicher war der Gesichtspunkt, dass ein geschäftlich tätiger Freigelassener mit der sittlichen Verpflichtung zur Anhänglichkeit vielleicht noch mehr einbringen könnte als ein Sklave mit peculium. Da in Gerichtsprozessen wohl Sklaven, nicht aber Freie zu Zeugenaussagen gezwungen werden konnten, empfahl es sich weiter, belastenden Aussagen durch Freilassung zuvorzukommen. Die testamentarische Freilassung führte dazu, dass der Leichenzug an Prächtigkeit gewann, weil er durch die dankbaren ehemaligen Sklaven eine jedenfalls quantitative Bereicherung erfuhr.
 
Das Sklavendasein
 
Die Sklaven am alleruntersten Ende der möglichen Sklavenexistenz waren zu bestimmten Epochen der römischen Geschichte die Bergwerks- und große Teile der Landwirtschaftssklaven. Eine wegen ihrer Härte gefürchtete Kriminalstrafe war die Verurteilung ad metalla, zur Bergwerksarbeit. Doch kann man auch hier nicht generalisieren. Zum einen gab es auch freie Bergarbeiter, besonders in der hohen Kaiserzeit, die sich auch zu Berufsverbänden organisierten, und zum anderen sind in der Bergbautechnik arbeitssparende Vorrichtungen erfunden worden, die darauf hinweisen, dass jedenfalls kein menschlicher Raubbau betrieben werden sollte. Zu bestimmten Zeiten jedenfalls traf dies zu, denn man muss sehr zwischen Epochen unterscheiden, in denen eher Überfluss oder eher Mangel an Sklaven herrschte. Dieser Unterschied trifft in besonderem Maße auf die Sklaverei in der Landwirtschaft zu. Der frühe römische Bauernhof kam entweder ganz ohne Sklaven aus, oder es gehörten einige wenige Sklaven zu ihm, die mit den Familienangehörigen zusammen arbeiteten. Das frührepublikanische Recht kennt Landwirtschaftssklaven als selbstverständliche Objekte größerer Rechtsgeschäfte wie Kauf und Verkauf, und es interessierte sich dafür, was mit den Kindern von Sklavinnen zu geschehen hatte. Sie wurden rechtlich als Leibesfrucht im eigentlichen Wortsinne behandelt und teilten demnach natürlich die Rechtsstellung der Mutter.
 
Mit dem Anwachsen der landwirtschaftlichen Betriebe nahm auch das Sklavenpersonal der Güter zu, und in den römischen Handbüchern, die die Organisation eines rentablen landwirtschaftlichen Betriebs erläutern, wird auf den Einsatz und die Behandlung der Sklaven große Sorgfalt verwandt. Oberstes Gebot war natürlich, sich deren Arbeitskraft zu erhalten, und das nicht nur deshalb, weil ihre rücksichtslose Ausbeutung schlechte Arbeitsleistungen und kostspielige Neuanschaffungen zur Folge gehabt hätte, sondern auch deshalb, weil ein solcher um die herrschaftliche Villa herum organisierter Gutsbetrieb keine Monokultur betrieb. Er produzierte eine Vielfalt landwirtschaftlicher Güter, die unterschiedliche Bearbeitung verlangten, und er forderte dementsprechend eine arbeitsteilige Organisation, die auch von den Sklaven unterschiedliche Fähigkeiten im Beruf erforderte. Hinzu kam, dass nicht nur die unteren Ränge des Personals von Sklaven bekleidet wurden, sondern dass in diesem hierarchisch organisierten Betrieb Sklaven auch bis hinauf zum Gutsverwalter (vilicus) eingesetzt wurden.
 
Hier traten nun im 2.vorchristlichen Jahrhundert teilweise Änderungen ein. Mit dem immer größeren Anwachsen der landwirtschaftlich genutzten Flächen vor allem in Süditalien und auf Sizilien veränderten sich Bodennutzung und die Art der Bewirtschaftung. Teils ging man zu großflächigem Getreideanbau über, teils betrieb man ebenso großflächige Viehwirtschaft. Im Fall des Getreideanbaus auf diesen Latifundien (wörtlich: Großgüter) konnte man mit größeren Sklavenmengen operieren, die einfache Arbeiten zu verrichten hatten. Die Hirtensklaven zeichneten sich demgegenüber dadurch aus, dass sie vielfach auf sich gestellt waren und als bewaffnete Trupps große Selbstständigkeit hatten.
 
 
Die Ackersklaven und die Hirtensklaven waren die Träger der sizilischen Sklavenkriege. Der erste (136—132 v. Chr.) brach deshalb aus, weil die Lebensbedingungen der Sklaven einfach unerträglich waren. Unsere Quellen sind zwar nur bruchstückhaft überliefert und schildern vor allem Spektakuläres, aber glaubwürdig sind sie doch, denn die Existenz der Unglücklichen, die teilweise in kasernenartigen Verliesen angekettet ihr Leben fristen mussten, war eben so unerträglich, dass sie zu einem regulären Krieg führte. Die Initialzündung kam wahrscheinlich von Hirtensklaven, aber der Anführer wurde ein Haussklave in Henna, heute Enna, ein Syrer namens Eunus aus Apameia am Orontes. Die Hirtensklaven, die ohnehin im Waffengebrauch geübt waren, brachten sozusagen das militärische Element mit hinein, und die Erhebung war so gefährlich, dass 134, 133 und 132 römische Heere unter konsularischem Kommando ausgeschickt werden mussten und nur mit großer Mühe siegten.
 
Die Sklaven hatten sich eine politische Organisation gegeben, sie nannten sich »Syrer«, und Eunus nahm sogar den Königstitel an und ließ Münzen prägen. Er nannte sich Antiochos, führte also einen seleukidischen Königsnamen, und all das weist auf die Ursache des Krieges hin: Durch die römischen Kriege im östlichen Mittelmeerraum sowie durch Raubzüge zur Gewinnung von Sklaven kamen so viele Griechen und Orientalen als Sklaven auf den Markt, dass einerseits die Sklavenhaltung in großem Stil betrieben werden konnte und es nun wirklich nicht mehr auf das Leben des Einzelnen ankam. Auf der anderen Seite waren viele der Versklavten freie Menschen gewesen, die sich von heute auf morgen in einen Zustand absoluter Rechtlosigkeit und schrecklicher tatsächlicher Behandlung versetzt sahen und das noch weniger ertragen konnten, als es die üblichen Nachkommen von Sklaven taten, die dieses Dasein gewohnt sein mochten.
 
Der 2. Sklavenkrieg (104—101 v. Chr.) soll deshalb ausgebrochen sein, weil der König Nikomedes III. von Bithynien auf eine römische Forderung, Truppen zu stellen, antwortete, er könne das deshalb nicht, weil sein Reich durch römische Massenversklavungen entvölkert sei. Erschrocken soll der Senat daraufhin angeordnet haben, auf Sizilien den Sklavenstatus zu überprüfen und die Betreffenden gegebenenfalls freizulassen. Das soll dann in einem solchen Umfang geschehen sein, dass zahlreiche römische Ritter als Eigentümer der Sklaven protestierten, worauf die Freilassungsaktion gestoppt wurde. Diese Maßnahme wurde das Signal zum Aufstand. Das wichtigste Sklavenheer stand unter dem Kommando eines Salvius, der den Namen Tryphon annahm, ihm folgte ein Athenion nach. Auch hier mussten reguläre Heere eingesetzt werden; der Krieg wurde beendet, als der Konsul Manius Aquilius im Zweikampf über Athenion siegte.
 
Diese großen Erhebungen waren also etwas Ungewöhnliches und fanden nur dort statt, wo es die größten Sklavenmassen gab, die zudem auf sonst nicht mehr vorkommende Weise rekrutiert worden waren. Erst recht ein Ausnahmefall war dann dreißig Jahre später der Aufstand des Spartacus. Er begann 73 v. Chr. in Capua, als ein Trupp von Gladiatoren im Sklavenstatus aus einer Gladiatorenschule ausbrach. Diese waffenkundigen Sklaven standen unter dem Kommando des Thrakers Spartacus, und ihnen schlossen sich weitere an, darunter Germanen und Kelten, vielleicht auch Freie aus Unterschichten. Das Heer des Spartacus durchzog Italien vom Norden bis zur Stiefelspitze, wo es vergeblich nach Sizilien überzusetzen versuchte; zwei konsularische Heere wurden von ihm geschlagen, bis er schließlich von Crassus 71 v. Chr. besiegt wurde; Spartacus soll bis zum Letzten gekämpft haben.
 
Die große Tragik dieser Sklavenkriege ist ihre von vornherein gegebene Hoffnungslosigkeit. Die Sklaverei als Institution abzuschaffen, das war niemandes Ziel jemals gewesen; den Aufständischen kam es nur auf die Beendigung ihrer schrecklichen Lebensbedingungen und auf ihre persönliche Freiheit an. Die räumliche Ziellosigkeit des Spartacusheeres ist gleichzeitig ein Indiz für seine konzeptionelle Ziellosigkeit, und die Gründung eines syrischen Königreiches durch Sklaven auf Sizilien zeigt, wie bewusst ihren Führern das Problem war, irgendwie aus der Sklavenrolle herauskommen zu müssen und eine Art politischer Gleichberechtigung zu erreichen. Abgesehen von den im Ergebnis dann doch eindeutigen militärischen Kräfteverhältnissen war so etwas für die antike Welt auf die Dauer aber unannehmbar. Und vor allem: Die politische Situation, die zu diesem Verzweiflungsakt massenhaft gequälter Menschen geführt hatte, sie war einmalig und wiederholte sich nicht, demgemäß gab es auch keinen Sklavenkrieg dieses Ausmaßes mehr.
 
Die soziale Situation
 
Das führt schließlich wieder zum Ausgangspunkt: Die rechtliche Qualifikation als Sklave, so demütigend sie von vielen empfunden wurde, ist nur ein äußerliches Band, das Menschengruppen unterschiedlichster sozialer Lage und demgemäß sozialer Interessen zusammenfasste.
 
Sämtliche Berufe konnten von Sklaven innegehabt werden: Es gab Arbeiter und Arbeiterinnen, Schauspieler, Gladiatoren, Musiker, Sänger, alle Arten von Handwerkern und Händlern, Buchhalter, Geschäftsführer, Verwalter, Lehrer, Ärzte, bei Frauen Prostituierte und Ammen, es gab öffentliche Sklaven (servi publici) mit Hilfstätigkeiten bei Ordnungsaufgaben. Da sie sich im Äußeren oft nicht von anderen unterschieden (außer dass sie die ohnehin selten getragene Toga nicht tragen durften), fielen sie im Stadtbild nicht auf, und demgemäß war nicht nur die Sklavenflucht ein Problem, sondern es ergaben sich auch schwierige Rechtsfragen, wenn sich womöglich nach vielen Jahren herausstellte, dass ein für frei Gehaltener in Wirklichkeit ein Sklave war. Sklaven konnten auch sehr hoch aufsteigen. Insbesondere im kaiserlichen Haushalt hatten sie als servi Caesaris wichtige Verwaltungsaufgaben inne, hatten ihrerseits Sklaven unter sich und waren auf diese Weise manchmal einflussreicher (und reicher) als mancher Ritter oder Senator. Wurden sie freigelassen, konnten sie noch höher aufrücken und etwa Leiter von kaiserlichen Kanzleien werden; die Vertrauten des Kaisers Claudius, die seine Politik mitbestimmten, waren ja zu einem Teil Freigelassene.
 
Die Sklavenzahl stabilisierte sich und ging gegen die Spätantike hin zurück. Dafür ist nicht das Christentum ursächlich gewesen. Ihm kam es weniger auf den weltlichen Zustand an, da vor Gott die Menschen gleich waren, und eben dies ist ein weiteres Zeichen dafür, dass der rechtliche Zustand als Sklave vor der konkreten sozialen Situation zurücktrat. Mühselig und beladen waren auch Freie, in großen Mengen sogar, und manchen von ihnen erschien der Sklavenstatus wegen der sozialen Sicherheit, die er bot, so erstrebenswert, dass sie sich freiwillig in die Sklaverei begaben. Die Sklavenzahl ging aus anderen Gründen zurück. Es gab keine großen Kriege mehr, die Gefangene lieferten, und die Sklavenjagden gehörten im einheitlichen Römischen Reich der Vergangenheit an; so war man auf die Nachkommenschaft der bisherigen Sklaven angewiesen. Die Sklaverei begann, kein wesentliches soziales Faktum mehr zu sein.
 
Prof. Dr. jur. Wolfgang Schuller
 
Weiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:
 
Familie und Gesellschaft in der Antike
 
 
Alföldy, Géza: Römische Sozialgeschichte. Wiesbaden 31984.
 
Das alte Rom. Geschichte und Kultur des Imperium Romanum, bearbeitet von Jochen Martin. Mit Beiträgen von Jochen Bleicken u. a. Gütersloh 1994.
 
Aufstieg und Niedergang der römischen Welt. (ANRW ). Geschichte und Kultur Roms im Spiegel der neueren Forschung, herausgegeben von Hildegard Temporini u. a. Auf zahlreiche Bände berechnet. Berlin u. a. 1972 ff.
 Catull: Gedichte. Lateinisch und deutsch von Rudolf Helm. Bearbeitet von Fritz Jürß. Berlin-Ost 21971.
 
Corpus inscriptionum Latinarum. Consilio et auctoritate Academiae Litterarum Regiae Borussicae editum, herausgegeben von der Preußischen Akademie der Wissenschaften. 17 Bände in 66 Teilen mit Supplementbänden. Berlin 1869-1986. Teilweise Nachdruck Berlin 1939-86.
 Davis, Lindsey: Silberschweine. Roman. Aus dem Englischen. Taschenbuchausgabe München 61996.
 
Europäische Wirtschafts- und Sozialgeschichte in der römischen Kaiserzeit, herausgegeben von Friedrich Vittinghoff. Stuttgart 1990.
 Flach, Dieter: Römische Agrargeschichte. München 1990.
 Horaz: Sämtliche Werke. Lateinisch und deutsch. Herausgegeben von Hans Färber. München 111993.
 Martial: Epigramme. Eingeleitet und übertragen von Rudolf Helm. Zürich u. a. 1957.
 Ovid: Liebeskunst. Lateinisch und deutsch. Herausgegeben und übersetzt von Niklas Holzberg. München u. a. 31991.
 Vergil: Landleben. Lateinisch und deutsch. Herausgegeben von Johannes Götte und Maria Götte. Zürich 61995.

Universal-Lexikon. 2012.

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